Satirischer Monatsrückblick November 2019
„Am Ende der Nachrichten gibt es eine Unwetterwarnung“, heißt es manchmal im Radio. Am Ende des Monatsrückblickes gibt es ein Gedicht von Anton Lebertran zum Thema „Black Friday“, heißt es heute. Zwar nicht im Radio, aber egal. Soweit vorneweg.
Der November entpuppte sich als Monat des Schnäppchens.
Black Week, Black Friday, Black Weekend – vor lauter Black sah ich schwarz. Also ich sah schwarz für einen ruhigen Start in die Adventzeit.
Willenlos spülte mich der Strom der Menschen von einem Store in den nächsten. Früher nannte man das Kaufhaus oder einfach nur Geschäft. Auch Shop lasse ich mir ja noch gefallen, aber Store.
Sie sind die Kathedralen unserer Zeit, diese Stores, groß und prunkvoll, nur dass man sie von außen nicht an einem Kreuz, sondern an angebissenem Obst erkennt. Oh heiliger Apfel, mir bleibt da was im Halse stecken. (War da nicht mal was mit Schneewittchen und dem vergifteten Apfel? Ich glaube jetzt hat mich der ganze Black-Friday-Zirkus völlig durcheinander gebracht.)
Und ein Stoßgebet rutscht mir über die Lippen: „Oh Herr, lass Hirn vom Himmel fallen!“
Und im selbigen – also im Hirn – tauchen ein paar Fragen auf:
Kommt der Begriff Schnappatmung eigentlich von Schnäppchen?
Und: Braucht ein Schnäppchenjäger auch einen Waffenschein?
Bei dem ein oder anderen Ellenbogen, der mir beim Kampf um Billigware aus Bangladesch, China und Singapur in die Rippen gerammt wird, ist diese Frage doch berechtigt.
Advent bedeutet ja bekanntlich Ankunft. Aber bei dem Gerenne auf den Straßen in den Innenstädten kann ich mir nicht vorstellen, dass da jemals einer irgendwo ankommt.
Ist ja auch nicht Sinn der Sache, du sollst ja rumrennen als Kunde. Wo kämen wir denn hin, wenn wir auf einmal innehielten.
Für das ganze Achtsamkeits-Gedöns, Yoga und Meditation hast du das ganze Jahr über Zeit. Ab dem ersten Advent heißt es: rennen und hetzen. Schließlich willst du auch was von den Schnäppchen abhaben. Ausruhen kannst du dich dann wieder ab Januar, wenn du den ganzen Plunder, den du dir hast andrehen lassen, umgetauscht hast.
Und nach all dem Gerenne durch Einkaufsstraßen und Fußgängerzonen stellst du fest: Du bist schnell gelaufen, du bist viel gelaufen, und am Ende ist es – dumm gelaufen!
Die Dämonen unserer Zeit heißen Angebot und Rabatt. Sie bringen unser Blut in Wallung und lassen uns nachts nicht zur Ruhe kommen.
Das Adrenalin im Körper lässt uns den Schmerz dieses Wahns nicht mehr spüren.
So, jetzt muss ich Schluss machen, denn eben bekomme ich eine E-Mail. In dem Kaufhaus meines Vertrauens gibt es Buntstifte im Sonderangebot. Wozu ich die brauche? Keine Ahnung, aber 25% günstiger, da fragt man nicht, wozu man das braucht.
In diesem Sinne, kommen sie gut durch den Advent und genießen Sie die Weihnachtszeit! Und falls Ihnen ein Schnäppchen entgangen ist. Halb so schlimm, tief durchatmen und: Immer schön Lächeln!
Und hier nun das angekündigte Gedicht von Anton Lebertran:
Black Friday – Black Weekend
Die Hirne veröden,
die Menschen verblöden,
Schnäppchen – Schnäppchen,
kauft Leute, kauft Leute,
Angebote, nur noch heute,
Schnäppchen – Schnäppchen,
komm, mach schnell, du musst dich sputen,
nur noch wenige Minuten,
Schnäppchen – Schnäppchen,
morgen alles wieder teuer,
heute spart ihr ungeheuer,
Schnäppchen – Schnäppchen,
supergeile obersatte
Black Weekend Sonder-Rabatte,
Schnäppchen – Schnäppchen,
hier Prozente, dort nen Deal,
kaufen kann man nie zuviel,
Schnäppchen – Schnäppchen,
preiswerter und billiger,
das macht den Menschen williger,
Schnäppchen – Schnäppchen,
Rabatt gibt’s sogar auf den Tod,
auch Särge sind im Angebot,
Schnäppchen – Schnäppchen,
heut macht sogar das Sterben Spaß,
doch kauft zuerst, beißt dann ins Gras,
Schnäppchen – Schnäppchen!
Unsre Sehnsucht stillt der Markt,
die Innenstadt kriegt Herzinfarkt.
Die Taschen voll, die Herzen leer,
vergrämte Gesichter im Menschenmeer.
Ob Leasing oder ob Kredit
das Geld euch aus der Tasche zieht,
ihr merkt, wenn ihr zu Hause steht,
man hat euch Nippes angedreht.
Und die Moral von der Geschicht:
Ob Dollar, Euro, Pfund, ob Gulden,
Gott Mammon vergibt euch eure Schulden
nicht!
„Wer sich zum Wurm macht, soll nicht klagen, wenn er getreten wird.“