Satirischer Monatsrückblick Juli 2016
Immer wieder erstaunlich, was in einem Monat alles passiert.
Terror-Anschläge in Deutschland, Putschversuch in der Türkei, Portugal wird Fußball-Europameister…
Doch was ist das alles gegen „Pokémon Go“.
Seit dem 13. Juli irren Menschen hilflos durch die Gegend, ihre Augen starr auf das Display ihres Smartphones gerichtet. Wie von unsichtbarer Hand gezogen, stolpern sie über Bahngleise, Friedhöfe und Brücken.
Da ich bei Computerspielen eher zu den Bergaufbremsern gehöre, habe ich die veränderte Lage der Nation erst gar nicht mitbekommen. Aber irgendwie verhielten sich Menschen in meiner Umwelt auf einmal eigenartig.
Meine Nachbarin sagte, in ihrem Wohnzimmer wäre ein Bisasam. Unter dem Wohnzimmertisch.
Ich fragte, ob ich die Feuerwehr holen soll. Doch sie meinte, nein, das wäre doch toll, sie hätte das in diesem Areal gar nicht vermutet.
Dann wollte sie wissen, auf welchem Level ich denn sei.
Ich sagte, naja, Diplom und Staatsexamen.
Ein Freund von mir rief mich nachts um halb drei an, er wäre gerade aus der Kneipe nach Hause gekommen und könne es nicht fassen. Schiggy läge im Schlafzimmer neben seiner Frau im Bett. Ich sagte, schmeiß den Kerl raus! Da hatte er schon aufgelegt.
Irgendwann hab ich dann mitbekommen, es handelt sich um Taschenmonster, die man mit dem Smartphone einfangen muss.Inzwischen ist die halbe Welt vom „Pokémon Go“- Fieber infiziert.
Befürworter applaudieren, denn das Spiel brächte die jungen Menschen wieder in die Natur. Man muss sich nämlich zu dem Ort begeben, wo sich das Mini-Monster befindet, wenn man es einfangen will.
Was Generationen von Eltern daddelnder Game-Freaks nicht geschafft haben, schafft ein Handy-Spiel: Hintern hoch und raus!
Allerdings brauche ich kein Handyspiel, um meinen Hintern aufs Fahrrad zu schwingen. Ein stinknormaler Biergarten reicht mir als Motivation. Ich brauche keine Lockmodule. Weizenbier und Bratwurst sind mir Glück-Ei und Beutel-Plus.
Und: nicht zu früh gefreut, liebe Eltern. Eine amerikanische Firma entwickelt zur Zeit eine Drohne, die beim „Pokémon Go“-Spielen das Laufen abnehmen soll. Dann ist es vorbei mit der Bewegung an frischer Luft.
Da sieht man, nach welchen Kriterien wir die Welt heute einteilen. Das Ranking bei Google ist der Heilige Gral der Neuzeit.
Was ist die Auferstehung Jesu gegen die Wiedergeburt des Pikachu?
Ich grüble, ob es sich bei diesem Spiel um die Revolution oder einen virtuellen Rattenfänger handelt.
In meiner Orientierungslosigkeit stelle ich mir die Frage, ob ich nun ein Zukunftsverweigerer bin. Weil ich mir dämlich vorkomme, wenn ich wie bekloppt Taschenmonster einfangen soll.
In dem Moment klingelt es an meiner Tür. Opa Schlawutzke. Mein anderer Nachbar, über Siebzig. Er hält sämtlichen technischen Fortschritt für Satanswerk.
Ich frage, wie es ihm geht und was er will.
Er sagt, gut. Er hätte letzte Woche mehrere Eier ausgebrütet. Aber jetzt müsse er dringend in meinen Garten. Einen Glumanda fangen.
In diesem Sinne, kommen Sie gut in den August. Und falls Sie Ihre Frau oder Ihr Mann demnächst fragt, ob Sie für ihn einen Taubsi-Bonbon hätten. Nicht wundern. Immer schön lächeln.
Fotos: von Jwslubbock (Eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons; von Ukko.de (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons; von Orf3us (Eigenes Werk) [CC0], via Wikimedia Commons