Satirischer Monatsrückblick November 2016
Ach, was war das für ein schöner November. Es lag sogar der erste Schnee. Jedenfalls hier im Norden.
Und in Amerika hat Donald Trump tatsächlich die Wahl gewonnen. Das ist weniger schön (jedenfalls für Trump-Gegner). Aber erwarten Sie nicht von mir, dass ich in das allgemeine Geheul einstimme. Ich mache es diesmal wie die Kanzlerin, ich sitze das einfach aus. Ich schweige zu diesem Thema. Wird sich irgendwie von selbst erledigen.
Ist ja schon alles gesagt. Der deutsche Medien-Einheits-Brei hat uns ja erklärt, wer die Guten und wer die Bösen sind.
Außerdem gibt es Wichtigeres. Spiegel-online berichtet im November „Fast jeder Zehnte bekommt Stütze“. Acht Millionen Menschen bekamen im Jahr 2016 Sozialhilfe und Hartz IV. Das ist jeder Zehnte. Wenn du dir ein Fußballspiel von Bayern München gegen Borussia Dortmund ansiehst, kannst du also davon ausgehen, dass zwei, die auf dem Feld stehen, Sozialhilfe bekommen. Wahrscheinlich die beiden Linienrichter. – Ja, ich weiß, die heißen Schiedsrichterassistenten. Linienrichter klingt aber besser.
Und es gibt immer weniger Dampf. Der weltgrößte Zigarettenkonzern Philip Morris denkt über das Ende der Zigarette nach. Jetzt werden einige sagen, das Ende der Zigarette ist der Filter. Hahaha. Nein ehrlich, das Leben des Glimmstengels steht auf der Kippe. Ein Glück, dass Helmut Schmidt das nicht mehr erleben muss.
Sogar die vergnügungssüchtigen Franzosen schließen die letzte große Gauloises-Fabrik. Sie wissen schon, die echten Französischen, ohne Filter. Wenn du dir von denen eine reingezogen hast, war deine Lunge frisch geteert wie eine sechsspurige Autobahn.
Übrigens verschwindet die Gauloises nicht ganz vom Markt. Sie werden demnächst in Polen hergestellt. Die echten französischen Zigaretten. Und in Deutschland. Naja, vielleicht brauchen wir ja den Teer für den Straßenbau.
Aber es gab auch richtig schlimme Sachen im November. Zum Beispiel war das Netz der Telekom im November einem Hackerangriff zum Opfer gefallen.
Wenn du einen Router von der Telekom hattest, ging gar nichts mehr. Schicht im Schacht. Kein Streamen, downloaden, uploaden. Weihnachtsgeschenke online bestellen, nichts da. Zappenduster. Bei einigen lag sogar der Telefonanschluss lahm. Da warst du abgeschnitten von der Außenwelt wie im hintersten Sibirien.
Gut, das Ganze dauerte nur ein paar Stunden, aber es begann ausgerechnet an einem Sonntag. Was willst du da auch tun ohne Internet? Am Sonntag! Spazieren gehen? Kaffee trinken? Kuchen essen?
Wie bitte? Habe ich da richtig gehört? Am Sonntag ein Buch lesen? Wie soll das gehen, wenn ich mich doch erst im Netz schlau machen muss, welche Bücher gute Rezensionen bekommen haben, welche Literatur zu meinem Profil passt und wo ich doch all das analoge Papierzeug auf dem letzten Flohmarkt verramscht habe? Wer hat denn heute noch ein Buch zu Hause im Regal stehen? Ein paar Zukunftsverweigerer vielleicht. Der moderne Mensch lädt sich ein E-Book auf sein I-Pad. Nur wie soll ich das machen, wenn der Internetanschluss tot ist?
Aha, denke ich, „Das Internet ist für uns alle Neuland“, aber „Cyberattacken gehören zum Alltag.“ Wie passt das denn zusammen? Hat sie da den falschen Baustein aus ihrem rhetorischen Lego-Baukasten gegriffen oder meint sie das wirklich so?
„Man darf sich davon auch nicht irritieren lassen“, mahnte unser aller Cyber-Kanzlerin, „man muss nur wissen, dass es so etwas gibt, und lernen, damit zu leben.“
Noch so ein Kaugummi-Satz.
Wahrscheinlich hätte man sie auch fragen können: „Frau Merkel, was halten Sie vom Schnee im November?“
Hätte Sie auch gesagt: „„Man darf sich davon auch nicht irritieren lassen, man muss nur wissen, dass es so etwas gibt, und lernen, damit zu leben.“
Oder: „Frau Merkel, was sagen Sie zu ihrer erneuten Kandidatur als Kanzlerin?“ – „Man darf sich davon auch nicht irritieren lassen, man muss nur wissen, dass es so etwas gibt, und lernen, damit zu leben.“
Der Satz passt immer. Naja, fast immer.
Und wie reagiert unser Innenminister auf den Hackerangriff bei der Telekom? Thomas de Maiziere, dessen zweiter Vorname Videoüberwachung lautet, wird in seiner Paranoia bestätigt. Wenn jetzt die Cyber-Piraten mit ihren Hackerangriffen Wasserwerke nass machen und Atomkraftwerken den Stecker ziehen können, sogar bis ins eigene Wohnzimmer vorzudringen wissen, da hilft nur komplette Überwachung des ganzen Systems. Wahrscheinlich tritt unser Innenminister bald vor die Mikrofone und fragt: „Wollt ihr die totale Überwachung?“ – Ach nee, Entschuldigung, jetzt hab ich was durcheinandergebracht. Totale Überwachung haben wir ja schon. Dank NSA.
Als ich an die frische Luft gehe, um mein erhitztes Gemüt etwas abzukühlen, treffe ich Opa Schlawutzke von nebenan.
„Hast du schon gehört“, rufe ich über den Gartenzaun, „die Telekom hat eine Störung.“
„Wer bei der Telekom ist“, lacht er, „ist ohnehin gestört.“
„Nun mal langsam, Opa Schlawutzke, du kannst doch nicht…“
„Was regst du dich auf“, unterbricht er mich, „du bist doch gar nicht bei der Telekom.“
Stimmt. Da fällt es mir wieder ein. Ich bin ja bei Vodafone.
Und falls Sie, geneigter Leser, mal wieder eine Störung haben, am Router, am Telefon oder wo auch immer, dann gehen Sie auf den nächstliegenden Weihnachtsmarkt, trinken einen Glühwein Ihres Vertrauens, essen ein paar Lebkuchen und genießen den Advent. Denn Weihnachten kommt ganz bestimmt, ob mit oder ohne Störung. Vielleicht brauchen Sie nach dem siebten Glühwein eine Stütze, das hat dann in gewisser Weise sogar etwas mit Sozialhilfe zu tun, aber auf gar keinen Fall mit Hartz IV. In diesem Sinne, feiern Sie schön Weihnachten und denken Sie dran: Immer schön Lächeln!
Fotos: von BenjII (Selbst fotografiert) [Public domain], via Wikimedia Commons;