Satirischer Monatsrückblick Mai 2017
Das war er nun, der wundervolle Monat Mai, in dem ich mich wunderte vor lauter wundern.
Zunächst wunderte sich die SPD bei den Wahlen in NRW, wie kraftlos sie sind, am Ende waren sie die Kraft los.
Aber so ist es nun mal, wenn man als Imitat der CDU durch die Parteienlandschaft dümpelt. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Menschen das Original wählen.
Dann wunderte sich die Flinten-Uschi, wie stark ihr der Wind ins Gesicht weht, ein regelrechter Taifun der Entrüstung, der selbst ihre Betonfrisur ins Wanken bringt. Dabei hat sie doch nur Kritik an der Führung ihres militärischen Saustalls geäußert und will nun die Bundeswehr einer „Säuberung“ unterziehen.
Da friert selbst einer so abgezockten Dame wie Frau von der Leyen das wundervolle Lächeln ein und sie wundert sich, wie morsch die Sprosse „Verteidigungsministerium“ auf ihrer Karriereleiter doch ist.
Bahnfahrer wundern sich, dass die Anzeigentafeln auf den Bahnsteigen nicht mehr funktionieren, weil das Schadprogramm WannaCry die Computer der Bahn gehackt hat. Dabei sind die Abfahrtszeiten ohnehin nur Richtwerte. Es würde völlig ausreichen, wenn sich die Bahn zwei Schilder als Ersatz für die teure Computertechnik zulegt. Schild eins: „Zug fährt!“ Schild zwei: „Zug fährt nicht!“
Der Papst bekam Besuch von Donald Trump und wunderte sich über gar nichts mehr. Obwohl er ja ein Fachmann für Wunder sein müsste. Haben Sie die Fotos gesehen? Den grinsenden Präsidenten. Daneben den mitleidig blickenden Papst, als wolle er sagen: „Junge, ein bisschen Bregen wäre ein Segen.“
Frau Schöneberger und Herr Urban vom NDR wundern sich, dass Levina beim ESC nur Vorletzte geworden ist. Ich wiederum wundere mich, wieso die sich da wundern. Die Herzen der Menschen eroberst du nun mal nicht, wenn du dein Liedchen mit der Ausstrahlung einer Lufthansa-Stewardess beim Erklären der Schwimmwesten trällerst.Und kaum sind ein paar Minuten des Schocks über den vorletzten Platz vergangen, ändert sich die Stimmungslage: „Hey! Leute! Deutschland ist nicht Letzter geworden. Das ist doch ein Grund zum Feiern. Nicht alles so negativ sehen. Wir sind Vorletzter. Vor den Spaniern. Wenn das beim Fußball mal so wäre…“
Der HSV und seine Fans wundern sich, dass sie wieder nicht abgestiegen sind. Sie feiern den Nichtabstieg als hätten sie die Meisterschaft gewonnen. So sehen zufriedene Menschen aus! Glücklich über Mangelware. Spielen jahrelang einen Grotten-Kick, aber was soll’s, das Ziel lautet: Nichtabstieg!
Und ich denke und wundere mich: Was ist los mit diesem Land?
Hier wird das Mittelmaß zur Spitze erklärt, da feiern wir den Durchschnitt, anstatt nach der Fähigkeit des Besseren zu eifern. Getreu dem Motto: Gewinnen kann ja jeder, verlieren ist viel schwerer!
Wenn die Trauben zu hoch hängen, trösten wir uns halt mit dem „die sind mir eh zu sauer“ gemäß der äsopschen Fabel mit dem Fuchs.
Ach so. Stimmt. Äsop war ja Grieche und von denen können wir eh nichts lernen, außer auf der faulen Haut rumliegen und Schulden machen.
Ach, der Sieg im In-die-Tasche-lügen ist uns gewiss. Naja, wenigstens etwas, in dem wir richtig gut sind.Wo kommt das her? Diese Leidenschaft für das Mittelmaß.
Nun könnte man provozierend sagen, naja, wenn es uns die da oben vorleben. Ob im Fußball oder in der Politik. Aber damit begäben wir uns in den süffisanten Sumpf der Stammtischpolemik.
Denn die da oben sind Profis. Im Fußball und in der Politik.
Oh, geneigter Leser, ich bitte zu entschuldigen, jetzt bin ich doch vom rechten Weg des Wunderns abgekommen und habe meinem satirischen Aderlass freien Lauf gelassen.
Zurück. Im Mai wunderte sich auch – genau – Helene Fischer. Und zwar darüber, dass sie im Berliner Olympiastadion ausgepfiffen wurde. (Nun, ich weiß es nicht genau, vielleicht wunderte sie sich auch nicht und dachte sich: mich wundert es, dass die Leute mich erst jetzt auspfeifen. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Anderes Thema sozusagen.)
Der DFB hatte Fischers Helene als Halbzeit-Show beim DFB-Pokalfinale geladen. Und da gab’s mächtig eins auf die Birne, Helene. Tagelang wurde über das Pfeifkonzert berichtet. Auf Online-Portalen, in der Print-Presse, in sämtlichen sozialen Netzwerken. Ich hab drauf gewartet, dass es einen ARD-Brennpunkt gibt: „Fischer ausgepfiffen – Wird das Deutschland verkraften?“
Dem Fußballfan sei seine Halbzeitpause gegönnt. Da gehört ein Stück Kultur, welcher Art auch immer, nicht hin. Beim Brunzen – denn dafür ist eine Halbzeitpause da – kannst du dich nicht auf mehrere Dinge konzentrieren. Da bist du schon leicht überfordert, weil du mit der einen Hand den Schniedel und in der anderen den Plastikbecher Bier halten musst. Hast du auch noch eine Bratwurst gekauft, bist du als grobmotorischer Fan an der Leistungsgrenze deiner Haptik angekommen. Wie sollst du das alles in den Griff bekommen? Im wahrsten Sinne des Wortes. Angetrunken. Ohne dabei das eine mit dem anderen zu verwechseln. Ob dieser Anstrengung bist du ohnehin atemlos. Was brauchst du da noch Helene Fischer.Aber die Demokratie hat gesiegt. Jawohl. Zigtausendfache Proteste live im Stadion und virtuell im Internet haben dazu geführt, dass der DFB ein Einsehen hat. Es wird keine Halbzeit-Show mehr geben.
Merken Sie was, geneigter Leser? Das sind Profis. Die vermitteln uns den Eindruck, wir könnten mitbestimmen. Wir hätten etwas zu sagen. Und wir glauben es auch noch. Wir glauben tatsächlich, wir bräuchten uns nur im Internet über etwas zu beschweren und schon könnten wir etwas verändern.
Zweifelsfrei kann Demokratie etwas bewirken. Aber sie hat auch einen Haken: Die Vollpfosten haben auch Stimmrecht.
Das ist ja das Blöde an der Demokratie. Das Ergebnis sieht man in Amerika. Obwohl ja Wahlforscher herausgefunden haben, dass viele Amerikaner gar nicht Donald Trump gewählt haben, sondern die Veränderung. Ja, die Amis hatten Mut. Sie wollten nicht mehr das alte muffige Establishment.Und wenn Frau Merkel in ihrer Bierzelt-Rede die Amis abblitzen lässt und Herrn Trump die kalte Schulter zeigt, dann ist das nichts anderes als…na? Genau! Wahl-Kalkül. Denn sie zeigt uns mit dieser Abfuhr der Amerikaner symbolisch den Stinkefinger: „Seht her, ihr Deutschen, Veränderungen bringen gar nichts, das seht ihr ja an diesem Trump. Also wählt das Bekannte. Mich!“
Das nenn ich Profi.
Klar, mit Trump ist das so eine Sache. Ich kann mich oft nicht entscheiden zwischen Mitleid oder Ignorieren. Man wird ja den Eindruck nicht los, er ist eine Art fleischgewordene Comic-Figur von Walt Disney. Oder so eine Art männliche Version einer Beate-Uhse-Puppe. Man lässt ihn gewähren, ein bisschen zappeln, kann sich an ihm gut einen runterholen – also symbolisch gemeint – und wenn man sich genug profiliert hat, zieht man den Stöpsel und lässt ihm die Luft ab.
Würde mich nicht wundern, wenn es so kommt.In diesem Sinne kommen Sie gut in den Juni. Und falls Sie sich wundern, warum der Satirische Monatsrückblick im Mai so lang geworden ist, das liegt einzig daran, ich habe mehr Wörter gebraucht als sonst.
Also nicht wundern, sondern: Immer schön lächeln.
Fotos: von ETHZ Swissairarchiv (ETHZ Swissairarchiv) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons; von Unbekannt (http://www.aeria.phil.uni-erlangen.de/) [Public domain], via Wikimedia Commons; von SteveK (Eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons;Armin Linnartz [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons; Alexas_fotos
Spruch des Monats
„Gar nichts zu tun, das ist die allerschwierigste Beschäftigung und zugleich jene, die am meisten Geist voraussetzt.“