Ist Echtzeit bei der Bahn eigentlich mit Verspätung oder ohne? Und was ist Echtzeit überhaupt?
Zugradar! Was soll das sein? Die Bahn erklärt das so: Ich kann das gesamte Streckennetz der Bahn auf meinem Computer, Smartphone oder iPad beobachten. Wo gerade ein Zug einfährt, wo er ausfährt, wo er hält. Das ist irre.
„Bitte beachten Sie“, schreibt die Bahn auf der Homepage weiter, „dass dies eine Beta-Version ist, in der Position und Streckenführung nicht immer exakt dargestellt werden.“ Na so was. Ich dachte, die ganze Bahn ist eine Beta-Version. Mal so zum Ausprobieren.
Zwischen Elend und Sorge
Und wie verwirrend, wenn die Bahn schon ankündigt, dass es nicht funktioniert. Funktionieren doch bei der Bahn schon die Dinge nicht, bei denen sie ankündigen, dass sie funktionieren.
Wozu brauchst du dann noch einen Zugradar? Du fährst doch eh nur von Main nach Mainz. Und manchmal wirst du umgeleitet. Genau. Über Mainz.
Doch jetzt mal ehrlich. Wenn der Zugradar nicht funktioniert, ist das ja in einigen Gegenden belanglos. Ob du nun im Harz mit einer Regionalbahn zwischen Elend und Sorge hin- und herpendelst, ist zum Beispiel wurscht. Hin- und Herpendeln zwischen Elend und Sorge, das kennst du ja schon aus deiner Firma.
Aber wenn du laut Zugradar in Dortmund bist, draußen aber das Schild von „Gelsenkirchen“ siehst, das gibt Ärger. Dabei wusstest du vielleicht gar nicht, dass Gelsenkirchen überhaupt einen Bahnhof hat.
Ich sitz also im Zug und beobachte auf dem Bildschirm meines PC, wo mein Zug gerade langfährt.
Das wäre genauso, als wenn ich auf dem Eiffelturm stehe und im Reiseführer lese, was ich sehe, wenn ich auf dem Eifelturm stehe. Das kann man einfacher haben. Rausgucken aus dem Zug. Und Runtergucken vom Eifelturm. Das in wirklicher Echtzeit. Also quasi real.
Wo fährt die Kofferbombe?
Ich kann jetzt also mit dem Zugradar Bahnfahren ohne Bahn zu fahren. In Echtzeit. Sind die noch ganz echt?
Was bedeutet das für den Alltag? Da regen wir uns auf, dass uns die NSA und andere Spitzel Tag und Nacht überwachen. Und jetzt bietet die Bahn einen eigenen Überwachungsdienst an. Da kannst du genau sehen, wo deine Kofferbombe gerade langfährt. Die Ausrede „Mein Zug hatte Verspätung“ kannst du ab jetzt vergessen. So, ich muss jetzt los. Sonst verpass ich meinen Zug. Wie bitte? Nee, nicht in echt. Im Zugradar.
Und so stellt sich wieder einmal die philosophische Frage: Gibt es ein echtes Leben im falschen? – Bei der Bahn anscheinend!
Fotos: By R.D. – Rolf-Dresden (Own work) [CC-BY-3.0], via Wikimedia Commons
Ohne in den Chor der Spötter über Pleiten, Pech und Pannen beim Start der Hochgeschwindigkeitsstrecke Ebensfeld – Erfurt einzustimmen, gebe ich Ihnen ein dazugehörendes „Randproblem“ zur Kenntnis. Die Bahn bietet den Service „Zugradar“. Auch heute, am 19.Dezember, fährt bei „Zugradar“ noch kein Zug über die mit großem Brimborium eingeweihte und seither tatsächlich benutzte – ich habe sie in Natura gesehen! – Verbindung. Ich war so naiv, zu glauben, man könne am PC die rasante Fahrt der „Sprinter“ auf der Neubaustrecke verfolgen. Nein, es werden weiterhin alle IC und ICE auf der bisher genutzten Frankenwaldbahn bis Saalfeld dargestellt, dann geht es sachte weiter über Stadtilm und Arnstadt nach Erfurt. Ich konnte sogar einen Zug erwischen, der sich nach der Fahrt über Coburg mit vier Mal „Kopfmachen“ (Sonneberg, Schalkau, Themar, Rennsteig) durch den Thüringer Wald quälte.
Diese Angelegenheit wird den bei den nach wie vor vorhandenen Verspätungen am Bahnsteig frierenden oder im Zug informationslos sitzen gelassenen Reisenden zwar ziemlich „Wurscht“ sein. Aber hatte man wirklich bisher keine Zeit die Strecke IT-mäßig einzubinden? Oder glaubte in den oberen Etagen der Bahn niemand daran, dass der Fahrplanwechsel mit der Streckeneröffnung zusammenfällt?
Coole Seite. Die App der DB gibt es leider nicht mehr. Auf der Webseite erscheint die folgende Meldung „Die DB Zugradar Applikationen sind seit 1.10.2018 abgeschaltet“. Als Alternative für alle Zugradar-Fans bietet sich die Seite https://zugradar.info/ an. Viel Spass.