Landeanflug auf Korfu

Landeanflug auf Korfu

Wir fliegen aus nördlicher Richtung westlich an der Insel vorbei, drehen dann hundertachtzig Grad und landen aus südlicher Richtung auf dem Flughafen Kerkira.
Eva verdreht die Augen:„Ojeh, jetzt kommt es gleich.“
„Ist dir schlecht?“, frag ich sie.
„Nein! Das ist ein Urlaubsflieger und wenn wir gelandet sind, fangen garantiert einige an zu klatschen.“
„Na und?“
„Ich finde das peinlich.“
Der Flieger setzt sanft auf. Die meisten Passagiere klatschen. Die Frau neben Eva ebenfalls. Ich schnalle mich ab und sammle meine Zeitungen zusammen.
„Die Bild nimmst du nicht mit“, empört sich Eva. Es für sie eine Schande, mit der Bild in der Öffentlichkeit gesehen zu werden. Für mich ist es schon aus beruflichen Gründen wichtig, ab und an zu lesen, was den Menschen für Storys aufgetischt werden.
„Hast du nicht gehört“, ermahnt mich Eva, „die Bild kannst du hier lassen.“
„Wieso“, schaltet sich die Frau mit der Paillettenbluse ein, „die kann man doch herrlich am Strand lesen.“
„Siehste!“, sag ich zu Eva.
„Jetzt fang ich wirklich gleich an zu kotzen“, verdreht sie ihre Augen und lacht.


Als ich auf die Gangway trete, renne ich gegen eine Wand heißer Luft. Im Pullover ist es jetzt wirklich zu heiß. Wir laufen ein Stück über das Rollfeld in das Flughafengebäude zur Gepäckausgabe. „Der Tower sieht ja nicht gerade vertrauenserweckend aus“, sag ich zu Eva und versuche meinen Pullover im Handgepäck zu verstauen.
„Wie meinst du das?“
„Naja, der Putz fällt schon ab und wer weiß wie es innen aussieht.“
„Ach jetzt meckere doch nicht schon wieder rum. Es ist Urlaub.“
„Ich meine doch nur.“
Tower Korfu

Tower Korfu

Fünfzehn Minuten später sitzen wir im Bus unserer Reisegesellschaft, der uns ins Hotel bringt. Ich hab den Pullover wieder angezogen, denn der Busfahrer meint es gut und hat den Bus auf Kühlschranktemperatur runtergekühlt.
„Jetzt stell dich nicht so an, draußen sind über dreißig Grad und du sitzt hier im Pullover“, meckert Eva.
„Bevor ich mir einen Gefrierbrand hole, pack ich mich lieber ein“, rechtfertige ich mich.
Da wir gerade mal acht Leute sind, die in einem großen Reisebus transportiert werden, sitzen Eva und ich in getrennten Abteilen, damit wir unser Handgepäck bequem auf den Nachbarsitz stellen können. Zwischen uns liegt der Gang. Vor Eva sitz ein älteres Ehepaar, welches uns beim Einsteigen freundlich mit bayrischem Dialekt grüßte. Der Herr wirkt nachdenklich. Wie ein zerstreuter Professors, der zwar schon in Pension ist, aber immer noch an irgendeinem Gedanken grübelt. Nervös trommelt er mit seinen Fingern in die Luft, macht dann eine Pause und fängt wieder an zu trommeln. Seine Frau röchelt seit dem Einsteigen als hätte sie sich verschluckt. Das klingt nicht sehr appetitlich. Ich versuche nicht darauf zu achten und schaue mir die Landschaft an.
„Schade“, rufe ich zu Eva rüber, „wir fahren nicht die Küstenstraße, sondern durchs Inselinnere.“ Laut Landkarte gibt es zwei Möglichkeiten, von der Hauptstadt Kerkira in den Norden zu kommen. Einmal über die Küstenstraße, vorbei an Pyrgi, Nisaki, Kassiopi, bis hin nach Acharavi. Oder man fährt durch das Inselinnere nach Skripero, dann hinauf nach Sfakera und biegt dann bei Roda rechts ab. Zwischen diesen beiden Hauptstraßen befindet sich das Gebirge mit dem heiligen Berg der Korfioten, dem Pantokrator.
„Wie bitte?“, ruft Eva auf meine Feststellung über die Route des Busses zu mir rüber. „Ich versteh dich nicht, der Motor ist so laut.“ Ich wiederhole meinen Satz, doch in diesem Moment röchelt die Dame aus Bayern und ich wiederhole meinen Satz ein drittes Mal. Entlang der Strecke sehen wir viel Müll, einige Berge und Müllberge.
„Wieso bauen die ihre Häuser nicht fertig?“, frag ich, als wir bereits zum dritten Mal an einem hässlichen Betongerippe vorbeifahren.
„Im Reiseführer steht, die Griechen bauen für ihre Nachkommen Häuser, aber vielen sei das Geld ausgegangen und jetzt stehen sie als Bauruine da“, klärt mich Eva auf.

Reisebus gegen Pkw

Reisebus contra Pkw

Nach fünfzig Minuten kommen wir gut gekühlt an der Nordküste an. Die ersten Urlauber werden in ihre Hotels gebracht. Wobei ich das Gefühl habe, die Busfahrer scheinen das hier wörtlich zu nehmen. Sie bringen die Urlauber nicht ans Hotel, sondern ins Hotel. Wenn die Türen groß genug wären, würden sie wahrscheinlich ins Zimmer fahren. Ich genieße das. Schon als Schulkind bin ich gerne mit dem Bus gefahren. Wir fahren direkt am Mittelmeer lang. Auf einer engen Strandstraße kurvt unser Chauffeur sein Riesengeschoss durch die engen Gassen, vorbei an Restaurants, bei denen man die Gäste per Handschlag begrüßen könnte, ließen sich die Fenster des Busses öffnen. Es ist mir ein Rätsel, wie man hier mit einem Reisebus durchkommt, aber irgendwie schafft der Fahrer das. Langsam werde ich etwas unruhig, bei jeder Kurve denke ich, jetzt kracht‘s gleich. Vorn durch die Frontscheibe des Busses kann man auf eine schmale Straße blicken, die auf eine unübersichtliche Kurve hinführt. Ein PKW kommt um die Ecke geschossen und rast frontal auf den Bus zu. Ich schließe die Augen. Der Fahrer sitzt seelenruhig an seinem Lenkrad und pfeift ein Liedchen. Wer hat jetzt eigentlich Urlaub, denke ich. Der oder ich?


(Fortsetzung folgt!)

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