Bistro am Flughafen

Duty-Free

Der schönste Teil bei einer Flugreise ist das Rumbummeln in der Duty-Free-Zone. Eine Art Niemandsland. Ich gehöre nicht mehr zu denen da draußen. Ich bin eigentlich schon weg, aber irgendwie noch da. Leicht und frei bummle ich durch die Shops, vergleiche Preise, probiere Schuhe an. Als wäre die Frau in mir entfesselt. Zudem liebe ich es, mich auf einen gemütlichen Ledersitz in einem der Bistros zu setzen, Kaffee zu trinken und den anderen Flugzeugen beim Starten und Landen zuzusehen. Meist ist die Zeit jedoch so knapp, dass die Frau in mir sich nicht entfalten kann und ich es höchstens zu einem Kaffee am Stehimbiss schaffe. Ein Ritual vollziehe ich jedoch immer. Ich gehe durch die Parfümabteilung und probiere kostbare Herrendüfte. Hinterher rieche ich wie eine geschäftige Dame auf der Reeperbahn, aber ich bin ein Nasenmensch und genieße die verschiedenen Duftmischungen. Als ich einmal mit meinem Kollegen Karsten zu einem Meeting nach Mailand flog, drückte er es etwas derber aus. „Du stinkst wie eine Strandnutte“, gab er mir zu verstehen.

Auch heute sind wir spät dran, in fünf Minuten ist Boarding-Time am Gate C08.
Von weitem sehe ich schon das Hawaii-Hemd von Klaus.
„Nein, das kann nicht sein, die fliegen tatsächlich mit unserer Maschine“, sag ich genervt zu Eva.
„Nun warte doch erst mal ab, vielleicht haben sie nur jemand getroffen, den sie kennen, fliegen aber ganz woanders hin“, versucht Eva mich zu beruhigen.
Tatsächlich stehen die beiden da und unterhalten sich mit einem anderen Pärchen. Als wir jedoch am Gate ankommen, ist unschwer zu überhören, wie Klaus kundtut, sie würden nach Korfu fliegen.
„Wir sind schon seit heute Morgen vier Uhr unterwegs“, höre ich seine Gattin sagen.
„Drei Uhr achtundfünfzig, Gisela“, berichtigt Klaus.
„Das ist doch vier Uhr“, rechtfertigt sich seine Gattin, deren Namen ich und die Umstehenden jetzt wissen.
Wir erfahren von den Ausführungen der beiden, dass sie eigentlich aus Frankfurt stammen, allerdings den Flug von Hamburg aus gebucht haben, weil der fünfzig Euro billiger ist und es das Bahnticket zum Flug ja umsonst dazu gibt. Also entschieden sie sich, die fünfzig Euro zu sparen und einmal quer durch Deutschland zu fahren.
Langsam bekomme ich Hunger. Das Frühstück ist drei Stunden her, vielleicht ist es auch nur die Aufregung vor dem Flug, die ein Hungergefühl in mir weckt.
Ehe wir im Flieger etwas zu essen bekommen, falls wir überhaupt etwas zu essen bekommen außer ein paar Keksen oder Salzgebäck, wie es neuerdings auf Kurz- oder Mittelstrecken serviert wird, vergeht mindestens noch eine Stunde. Vorausgesetzt wir fliegen pünktlich ab.
„Das Boarding für den Flug Air Berlin 82 740 nach Korfu verspätet sich um zwanzig Minuten, wir bitten Sie ihre Bordkarten bereitzuhalten. Ich wiederhole, in zwanzig Minuten beginnen wir mit dem Boarding für den Flug Air Berlin 82 740 nach Korfu“, haucht eine Frauenstimme durch den Lautsprecher.
„Wir sollten uns für den größten Hunger irgendwo ein Brötchen oder was Ähnliches kaufen“, schlage ich Eva vor. Wenn es ums Essen geht, widerspricht sie selten.
„Aber bleib nicht so lange, in zwanzig Minuten ist Boarding“, ruft sie mir noch hinterher. Ich suche einen Verkaufsstand und finde zwischen Gate A17 und A18 ein kleines Bistro, an den man die üblichen Kaffee-Varianten und einen kleinen Imbiss kaufen kann. Fünf Leute vor mir, noch zwanzig Minuten bis zum Boarding, das schaffe ich locker. Eine der beiden Verkäuferinnen verabschiedet sich von ihrer Kollegin mit einem Bussi. Schichtwechsel. Die andere ist jetzt allein. Kunden bedienen, Kaffeeautomat betätigen, Milchaufschäumen, kassieren. Noch achtzehn Minuten.

Bistro

Bistro

Die ersten vier Menschen der Warteschlange gehören zusammen. Ein Mann im Polohemd mit Krokodil-Aufnäher an der linken Brust, hinter ihm sein Sohn, ungefähr sechzehn Jahre alt, dann die Tochter, noch im Grundschulalter und seine Ehefrau. Er vermittelt den Eindruck eines Herrn aus dem mittleren Management, der seiner Familie mal zeigen will, wie man selbst in Freizeitbekleidung am Flughafen den Leuten zeigt, was ein Alpha-Tier ist. Der Typ Mensch, bei dem einen der Spruch einfällt „Weltmacht mit drei Buchstaben? – ICH!“. Er steht mit Blickrichtung zur Warteschlange. Wie ein Referent baut er sich vor den Wartenden auf, eine Hand locker in der Hosentasche. Er genießt diese Macht, das Vorankommen der Warteschlange beeinflussen zu können.
Sohnemann kann sich nicht entscheiden. Geduldig fragt Papa: „Möchtest du einen Schoko-Muffin oder lieber Blaubeere? Du kannst auch ein Buttercroissant bekommen, Steven“, diktiert er für alle hörbar.
Noch zwölf Minuten. Wenn der in dem Tempo weitermacht, könnte es knapp werden für mich. Steven kann sich immer noch nicht entscheiden. Papa hat Geduld, wahrscheinlich fliegen sie erst heut Abend. Fünf weitere Personen stehen inzwischen hinter mir. Ich höre das erste Stöhnen, warum das denn so lange dauert. Papa an der Spitze der Schlange schaut auf die ungeduldige Menge. Er lächelt süffisant. „Steven, weißt du schon, was du willst?“ Hurra! Steven weiß es.
„Steven nimmt den Blaubeer-Muffin“, schleudert Papa der Frau hinter der Theke die Bestellung zu, wie andere einen Knochen ihrem Hund. Als könne Prinz Steven nicht selbst reden. „Und was möchtest du trinken, Steven?“, fragt er seinen kleinen Schönling. Ich fasse es nicht. In zehn Minuten geht mein Urlaubsflieger und dieser Lacoste-Sklave braucht eine halbe Ewigkeit um für seine Brut ein paar Muffins und ne Cola zu bestellen. Dasselbe Spielchen läuft mit der Tochter ab, die Frau des Hauses entscheidet sich für einen Cappuccino und bezahlt den ganzen Plunder. Ganz ruhig bleiben, sage ich zu mir. Ganz ruhig, ich bin ganz ruhig, wiederhole ich wie ein Mantra.
Nur noch ein Herr vor mir, vielleicht gerade mal dreißig Jahre alt, im Business-Anzug. Er bestellt ebenfalls einen Cappuccino. Das geht schnell, allerdings bezahlt er mit Kreditkarte.
„Es tut mir leid, der Bezahlvorgang ist abgebrochen worden, wir müssen es noch einmal von vorn probieren“, sagt die Frau hinter dem Tresen, zieht die Karte aus dem Schacht und steckt sie erneut hinein. Noch acht Minuten.
„Irgendetwas funktioniert mit ihrer Karte nicht“, sagt die Bistro-Frau, „können Sie nicht bar bezahlen?“, fragt sie geduldig den Anzug-Mann. Dieser holt wortlos aus seiner Brieftasche eine andere Kreditkarte und reicht sie über den Tresen. Jetzt funktioniert es. Noch fünf Minuten.
Einen Cappuccino mit Kreditkarte bezahlen. Herr lass Hirn vom Himmel regnen, bete ich. Wenn das die Elite unseres Landes ist, na dann, gute Nacht.
Die charmante Lautsprecherstimme haucht: „Die Passagiere des Fluges Air Berlin 82 740 nach Korfu bitte zum Einsteigen!“
Ich kaufe zwei Laugenbrezeln und eine kleine Flasche Wasser, bezahle Sieben Euro Fünfzig Cent und renne mit meinen Habseligkeiten zu Gate C08.

(Fortsetzung folgt!)