„Woher weißt du denn, dass das ein Mann war?“, wendet sie ein. Ich stelle mich schlafend.
Schon als der Bus auf das weitläufige Gelände des Hotels fuhr, wusste ich, wir hatten mit unserer Buchung alles richtig gemacht. Wir wollten Ruhe, hier war sie.
Der gesamte Club liegt im seewärts gelegenen Teil eines alten Landgutes, auf dem hauptsächlich Olivenbäume wachsen. Er ist angelegt wie ein korfiotisches Dorf, mit unterschiedlichen eingeschossigen Häusern, die an die venezianische Besatzung erinnern. Sie haben nichts von den weißen griechischen Bauten, die man von Postkarten kennt. Die Rezeption befindet sich in einem Clubhaus, in der Mitte des Clubraumes steht ein offener Kamin für die kalten Tage. Also das, was man hier kalte Tage nennt. Das ganze Gebäude ist aus Naturstein gebaut und erinnert an eine toskanische Finca. Von hier aus brachte uns Adonis, der Gärtner, mit dem gesamten Gepäck, das er auf eine Karre lud, zum Appartement. Ich gab ihm unsicher ein Trinkgeld, weil ich es nicht gewohnt bin, in solch noblen Herbergen abzusteigen.
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Vielleicht ist nobel etwas übertrieben, doch im Vergleich zu den Urlaubs-Bettenburgen mit Animation ist das hier das reinste Paradies.
Betritt man unser Appartement befindet sich gleich rechts die Kitchenette mit Kühlschrank, Spüle und Herd. Eine Art Tresen dient als Raumteiler. Auf ihm stehen Wasserkocher und Kaffeemaschine und von der Wohnzimmerseite her drei Barhocker aus Korbgeflecht. Die Möbel sind aus echtem dunklen Holz, ein gemütliches Sofa, Tisch, Sessel und eine große Kommode, auf der ein Fernseher steht. Das Schlafzimmer ist im gleichen Stil eingerichtet, dunkle Nachttische aus Holz und ein passender Schreibtisch mit Hocker.
Links von der Eingangstür befindet sich ein kleiner Flur mit großem Kleiderschrank. Von da aus gelangt man in das Bad. Also nicht vom Kleiderschrank aus, sondern vom Flur. Alle Räume sind durch eine zentrale Klimaanlage kühlbar, die man neben dem Eingang anschalten kann. Ich hab sie vorerst ausgeschaltet. Vor den großen Flügeltüren, die von beiden Zimmern auf die Loggia führen, sind dunkelgrüne Türläden angebracht. Sie schützen das Appartement vor Sonneneinstrahlung. So ist es angenehm frisch. Auch ohne Klimaanlage.
Sitzt man auf der Loggia schaut man auf einen kleinen Garten mit Pflaumenbäumen, der von einer Steinmauer umsäumt wird.
Von hier aus kann man auch das Gebirge sehen, dessen höchste Erhebung der Pantokrator, der Gottesberg, ist. Den wiederum kann man nicht sehen. Er ist der Stolz der Korfioten und gleichzeitig ein Touristenmagnet.
„Lass uns mal die Gegend erkunden“, reißt mich Eva aus meiner mittäglichen Ruhe.
„Wir sind hier in Griechenland, da ist die Siesta heilig. Und ich gedenke nicht, griechische Traditionen zu unterwandern, im Gegenteil, so ein heiliges Mittagsschläfchen sollte man in Deutschland auch einführen“, rechtfertige ich mein Bedürfnis nach Ruhe. Nach einer anstrengenden Reise halte ich das für völlig normal.
„Schlafen kann ich auch zu Hause“, erwidert Eva, „außerdem will ich doch wissen, wo hier was ist.“
„Dann lese doch die Hotelbroschüre, da steht alles drin, was du für den Anfang wissen musst. Ich hab gelesen, zum Strand gibt es zwei Zugänge. Und: Es gibt hier im Clubhaus die Prinz-Philipp-Bar. Die heißt deshalb so, weil auf Korfu Prinz Philipp geboren wurde. Die Mittagsruhe nennt man Siesta und ist zwischen Fünfzehn und Achtzehn Uhr. Soll ich dir mal vorlesen, was hier über die Siesta steht?“, frage ich Eva. Noch ehe sie antworten kann lese ich ihr auf dem Bett liegend aus dem Hotel-Flyer vor: „Viele unserer Gäste möchten die Siesta einhalten. Deshalb erbitten wir Rücksichtnahme. – Rücksichtnahme“, wiederhole ich. „Und genau das möchte ich jetzt auch. Rücksichtnahme einem Urlauber gegenüber, der die Siesta einhalten möchte.“
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Meine letzten Worte hört Eva schon nicht mehr, weil sie geschäftig im Appartement hin und herläuft und ihre Sachen aus der Reisetasche in die Schubladen der Schränke räumt.
Es ist immer dasselbe, Eva will immer alles gleich ausprobieren, ich informiere mich erst, bevor ich loslege. Eva hat in ihrem ganzen Leben noch nie eine Bedienungsanleitung gelesen. Ich dagegen wälze stundenlang die Gebrauchsanleitung bevor ich ein neues Gerät auch nur auspacke. Manchmal hole ich mir auch noch Vorinformationen aus dem Internet. Eva findet das spießig. Entweder die Bedienung eines Gerätes erschließt sich von selbst oder das Gerät taugt nicht für die alltägliche Praxis, ist ihre Meinung. Und genau aus diesem Grund mussten wir letzten Herbst die Küche renovieren. Eva vergaß, in die neue Espresso-Siebträgermaschine eine Dichtung einzulegen und das Kaffeemehl verteilte sich mit einem lauten Puff gleichmäßig über die Wände. Eine Riesensauerei, doch sie schimpfte nur über den Hersteller, der Espresso-Siebträgermaschinen vertreibt, die man noch zusammenbauen müsse. „Es steht doch riesengroß auf Seite Eins, ‚Bitte lesen Sie vor Inbetriebnahme die Gebrauchsanweisung!‘“, schimpfte ich, weil mir nun die Renovierung der Küche bevorstand.
„Eben!“, hielt mir Eva entgegen. „Woher soll man das wissen, wenn es in der Gebrauchsanleitung steht. Also innen drinnen“, betonte sie noch einmal. „Ich muss das doch vorher wissen, es müsste draußen irgendwo dranstehen, damit ich gar nicht erst in Versuchung komme, das Gerät anzuschalten, bevor ich nicht die Dichtung einlege.“
Eine Logik, die ich nie begriffen habe. Doch das ist jetzt egal, schließlich ist Urlaub. Und Siesta.
(Fortsetzung folgt!)